Diesmal habe ich eine ganz besondere Schriftstellerkollegin eingeladen, die indirekt auch für meine Bücher verantwortlich ist – Ihr wisst schon, die Sache mit dem Apfel und dem Stamm … (🥁Trommelwirbel🥁) Die Rede ist natürlich von Edith Schreiber-Wicke, meiner Mutter.

Mamita, ich freu mich so, dass Du zugesagt hast, Gast in meinem Meet&Greet zu sein.

Wie hätte ich denn einer von zwei Lieblingstöchtern absagen können🥰?

Du hast so unendlich viele Bücher geschrieben, mir war gar nicht bewusst, wie viele, bis ich auf Deiner Website irgendwann das Zählen aufgegeben habe😅. In der Welt des Deutschen und österreichischen Kinderbuchs bist Du eine vielfach preisgekrönte Institution und es ist schwierig, sich vorzustellen, dass Du irgendwann einmal NICHT Bücher geschrieben hast. Du warst davor allerdings sehr erfolgreiche (und ebenfalls preisgekrönte) Cheftexterin in einer Werbeagentur mit Riesenkunden wie Austrian Airlines und der österreichischen Fremdenverkehrswerbung. Warum begibt man sich aus so einer sichern Fahrspur in die unsteten Gewässer eines freiberuflichen Autorenlebens?

Das fragt ausgerechnet meine freiberuflich schreibende Tochter?

Es war spannend, gute Werbetexte zu schreiben, (übrigens hat auch Erich Kästner als Werbetexter gearbeitet) und es wird gut bezahlt, aber die Freiheit ist eben doch unbezahlbar. (Klischee – trotzdem wahr).

Es gibt Geschichten, die werben nicht für Produkte oder für Dienstleistungen, sondern für Toleranz, Zivilcourage, für die, die keine Stimme haben. Diese Geschichten wollen/müssen geschrieben werden. Und dafür habe ich mich entschieden. Vielleicht unstete Gewässer, aber jede Menge Horizont.

Was für eine schöne Antwort ❤️! Dein allererstes Kinderbuch „Der Tag, an dem Anton nicht da war“, ist die Geschichte eines Jungen, der plötzlich unsichtbar wird. Das Buch wurde auch gleich verfilmt, also begann Deine zweite Karriere ebenso erfolgreich wie Deine erste. Dennoch bedeutet das Autorenleben ein ständiges Auf und Ab, und viele AutorInnen können vom Schreiben nach wie vor nicht leben. Wenn Du jetzt zurückschaust, gibt es einen Punkt in Deiner Karriere, an dem Du das Gefühl hattest „Jetzt hab ich’s geschafft“?

Nein, der Punkt wird auch nie kommen. Oder doch? Wenn endlich ein Verlag meinen Text „Ich esse meine Katze nicht“ herausbringt, dann habe ich zumindest geschafft etwas zu publizieren, was mir ein großes Anliegen ist: Ehrlichkeit in Bezug auf unseren Umgang mit Tieren. Und damit meine ich ALLE Tiere. (Anmerkung: Meine Mutter lebt vegan, so wie ich – und fast meine gesamte Familie💚)

Das „Anderssein“ (und trotzdem „gesehen“ werden) zieht sich als Thema durch sehr viele Deiner Bücher: Vom unsichtbaren Anton in „Der Tag an dem Anton nicht da war“ über Deinen Jugendroman „Hauptsache anders“, das zweite Rabenbuch „Der Rabe der anders war“ bis zu Tango, dem Pinguinkind, das zwei Väter hat, in „Zwei Papas für Tango“. Hast Du Dich selbst als Kind – oder auch später – „anders“ gefühlt? Oder ist Dir Toleranz im Allgemeinen einfach ein Lieblingsthema?

Ich war als Kind ziemlich sicher, dass ich irrtümlich in genau diesem Leben gelandet bin.

Ein Versehen Außerirdischer? Diese Fremdheit ist mir und meinem inneren Kind geblieben, also liegt mir das Thema Anders-Sein natürlich besonders.

„Als die Raben noch bunt waren“ ist mittlerweile ein Klassiker und in jeder Kindergarten- (Kita-)Bibliothek zu finden. Es ist bis heute Dein erfolgreichstes Buch und war auch der Beginn einer langjährigen sehr erfolgreichen Zusammenarbeit mit Deiner Illustratorin (und Freundin) Carola Holland beim Thienemann Verlag. Eure wunderschönen Bilderbücher sind Legion, und als Bilderbuch-

Autorin bist Du, glaub ich am bekanntesten. Das Bilderbuch verlangt eine Qualität, die ich zum Beispiel nicht habe, oder jedenfalls sehr schulen müsste: Minimalismus. Das Reduzieren auf das absolut Wesentliche, dabei aber den Charme, die Poesie, die sehr persönliche Erzählstimme, die Du hast, zu behalten. Ist das für Dich die Herausforderung am Bilderbuch?

Ich bin genau genommen Lyrikerin und jedes Bilderbuch ist eigentlich ein etwas ausgeufertes Gedicht. Insofern liegt mir die Kürze ganz besonders.

Du hast auch viele Kinder- und Jugendbücher geschrieben, aber ich glaube, Deine zweite Leidenschaft und Stärke (wieder eine, die wir nicht gemeinsam haben), sind Krimis.

Du liest auch sehr gerne Krimis (wieder im Gegensatz zu mir).

Woher kommt die Affinität zum „Whodunnit“-Genre?

Mich interessieren seelische Abgründe. Nicht gerade eine typische Eigenschaft für eine Kinder- und Jugendbuch-Autorin. Aber so ist es nun mal.

Soeben ist Dein mit Spannung erwarteter Roman erschienen, und es ist noch einmal etwas völlig anderes. Ein historischer Roman in den eine Krimihandlung eingewoben ist. Er spielt in Venedig und heißt „Im Schatten Deiner Flügel“, ein wunderschöner Titel, wie ich finde. Magst Du uns ein bisschen was über den Inhalt erzählen?

Da sind wir schon bei den Abgründen. Venedig ist die Stadt, in der das Wort Ghetto erfunden wurde. Und wenn man im venezianischen Ghetto das Denkmal von Arbit Blatas sieht, fragt man sich natürlich, was mit den Juden geschehen ist, an die das Denkmal erinnert.

Ich traf Riccardo Calimani, dessen Familie zum Großteil deportiert wurde und fragte ihn, warum es darüber kaum etwas zu lesen gibt. „È uns storia ancora da scrivere“, sagte er. Es ist eine Geschichte, die erst geschrieben werden muss. Also habe ich sie geschrieben.

1943: Lilly Salomon, eine jüdische Opernsängerin aus Wien versteckt sich in Venedig vor dem Nazi Regime. 

Viele Jahre später wird in einem Mordfall ermittelt. Die Spuren führen zurück in die Vergangenheit, zu dem Tag, an dem Lilly Salomon verschwand.

Und ich hab mein Buch immer noch nicht😫!!! Venedig ist der Handlungsort von „Im Schatten Deiner Flügel“, Du hattest jahrelang einen Zweitwohnsitz da und über lange Zeit scheint es der Ort gewesen zu sein, der Dich am meisten inspiriert hat. Venedig zieht Künstler aller Sparten an, das muss an mehr liegen als an Kanälen und Palazzi. Was macht für Dich die Faszination dieser Stadt aus?

Venedig ist keine Stadt, Venedig ist ein Seelenzustand. Dass darin auch eine Art Alltag stattfindet, ist manchmal komisch, manchmal irritierend, aber immer inspirierend.

Ist vielleicht eine schon oft gefragte Frage, aber es interessiert mich wirklich: Aus der unglaublichen Fülle Deines Werks im Kinder-und Jugendbuch, gibt es da ein einzelnes Buch, das hervorsticht, das Deinem Herzen am nächsten ist? Ich bin gespannt, ob es das ist, an das ich auch denke.

Es ist bestimmt genau das, an das du denkst.

😂 Jetzt will ich es aber genau wissen. Ich hab an „Regenbogenkind“ gedacht! (Anmerkung: Die Geschichte eines Down-Syndrom-Kindes)

Ich dachte, wir lassen das offen 😁

Okay, ich geb‘ auf. Ist aber auch so ähnlich wie die Frage welches seiner Kinder man am liebsten hat. Unsere „Brain Babies“ sind schließlich auch Kinder und wir lieben sie alle.

Jetzt aber wieder zu: „Im Schatten Deiner Flügel“. Demnächst wird das Buch im Jüdischen Museum in Wien präsentiert. Ist Dir die Anerkennung der jüdischen Community für Dein Buch besonders wichtig?

Ja, ich bin sehr sehr froh darüber, meine Geschichte in diesem Rahmen präsentieren zu dürfen.

Der neue Roman ist das Ergebnis mehrerer Jahre Arbeit, inklusive der Aufarbeitung von sehr viel Recherchematerial. Ist der Historische Roman ein Genre, in dem Du noch mehr schreiben willst? Oder war es Dir einfach besonders wichtig, diese spezielle Geschichte zu erzählen? Und: Was sind Deine nächsten Projekte?

Ich hatte das Glück einen unglaublichen Menschen kennezulernen: Aldo Izzo, dem ich das Buch gewidmet habe.

Er hat die Jahre der Verfolgung in einem Versteck überlebt, viele Details über das ständige Leben in Angst habe ich von ihm erfahren. In einem der Gespräche erwähnte er Olga Blumenthal, die erste PROFESSORIN an der Universität von Venedig. Schon wieder eine Geschichte, die geschrieben werden will.

Wow, das klingt superspannend! Und ich hab’s noch gar nicht gewusst!

Ist ein neues Kinder- oder Bilderbuch auch in Planung?

„Mein Schwein bellt“ – ein veganes Thema. Überrascht?

Yaaaaaay!!!! Das ist großartig! Danke im Namen aller Schweine (und Kühe und Kälber und Hühner undundund …)

Ich glaube, Deine Fähigkeit, auf das Wesentliche zu reduzieren, ist wirklich eine sehr rare unter AutorInnen😄. Noch niemand hat in dieser Interview-Reihe so minimalistische, herausgemeißelte Antworten gegeben. Wie Spock sagen würde: Fas-zinierend!

Nicht nur deshalb freu ich mich mega, dass Du hier zu Gast warst! Für mich ist es auch ein bisschen so, als würden wir damit „Im Schatten Deiner Flügel“  (übrigens im Amalthea Verlag erschienen) gemeinsam feiern!

Yeah! Das Interview als Happening! Ich freu mich auf viele gemeinsame LeserInnen! 

Ich mich auch 🥰! Und damit sind wir auch schon bei unserem Gewinnspiel:

Wenn Du den brandneuen historischen Roman von Edith Schreiber-Wicke, ein wunderschönes Hardcover, gewinnen möchtest, dann antworte bitte bis zum 8.10.2022 auf folgende Frage:

Aus welchem Grund interessiert dich dieser Roman?

Da meine Mutter ja eine geradezu unglaubliche Backlist hat, habe ich sie gebeten, auch zwei Bilderbücher zur Verfügung zu stellen.

Ein Exemplar von „Zwei Papas für Tango“, die (wahre) Geschichte eines kleinen Pinguins mit zwei Papas, und einmal den Klassiker „Als die Raben noch bunt waren“.

Als Bewerbungsschluss gilt wie oben der 8.10.2022.

Edith Schreiber-Wicke findet Ihr unter https://www.schreiber-wicke.at/

und auf Instagram unter @neinrich

Schön, dass Du reingeschaut hast!

Bis zum nächsten Meet&Greet!

Alles Liebe,

Chantal